Der Rote Riesling – Eine wiederentdeckte Rebsorte im Rheingau

von | 06.07.2025 | Rebenkunde

Ein Weißwein aus roten Trauben

Beim ersten Blick auf die rötlich gefärbten Beeren könnte man meinen, es handele sich um eine Rotwein-Rebsorte. Doch der Rote Riesling ist tatsächlich ein Weißwein – ein ganz besonderer sogar. Diese historische Rebsorte erlebt seit einigen Jahren eine bemerkenswerte Renaissance und erobert die Herzen von Weinliebhabern im Rheingau und darüber hinaus.

Bildquelle oben: Wikipedia, Roter Riesling, Hochschule Geisenheim, (This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license.)

Die Geschichte einer vergessenen Rebsorte

Der Rote Riesling ist eine historische Rebsorte und entstand durch Farbmutation des Weißen Rieslings. Während früher angenommen wurde, dass der Rote Riesling die ursprüngliche Form sei, haben molekularbiologische Untersuchungen des Julius-Kühn-Instituts im Jahr 2016 ergeben, dass der Rote Riesling aus einer Mutation des Weißen Rieslings hervorgegangen ist.

In früheren Jahrhunderten wurde der Rote Riesling häufig zusammen mit dem Weißen Riesling im gemischten Rebensatz angebaut. Nach und nach geriet die rote Variante jedoch in Vergessenheit. Dies lag unter anderem daran, dass der Weiße Riesling einen höheren Ertrag erzielte und weniger durch Vogelfraß gefährdet war.

Die Wiederentdeckung in Geisenheim

Die Rettung dieser besonderen Rebsorte begann in der Wissenschaft. 1991 begann man an der Hochschule Geisenheim, den vergleichsweise unbekannten Roten Riesling erhaltungszüchterisch zu bearbeiten. Neben wissenschaftlichem Interesse waren Anfragen aus der weinbaulichen Praxis der hessischen Anbaugebiete Rheingau und Hessische Bergstraße Auslöser zur Bearbeitung der Rebsorte.

Der Rheingau als Vorreiter der Wiederentdeckung

Matthias Corvers – Der Pionier Als erster Winzer im Rheingau pflanzte Matthias Corvers vom Weingut Corvers-Kauter den Roten Riesling im Jahr 2003/2004 an. Bei einer Blindverkostung war er sofort überzeugt: „Bei der Blindverkostung stach eine Sorte hervor – sie war dicht, extraktreich und nachhaltig“.

Weingut Sohlbach – Familientradition trifft Innovation
Das Weingut Sohlbach in Kiedrich entdeckte die Sorte durch einen glücklichen Zufall. Als 2011 Riesling-Rebstöcke Mangelware waren, empfahl der Rebzüchter den Roten Riesling als Alternative. Heute baut der Familienwinzerbetrieb die historische Rebsorte mit großer Leidenschaft an und setzt dabei bevorzugt auf den feinherben Ausbau, der die charakteristischen Aromen von Kernobst optimal zur Geltung bringt.

Seither sind weitere Winzer*innen gefolgt und so wird der Rote Riesling heute im Rheingau auf über 22 Hektar angebaut (Stand: 2020). In Deutschland wird der Rote Riesling seit 2004 im Rheingau und seit 2006 an der Hessischen Bergstraße angebaut.

Seit 2018 ist der Rote Riesling auch in allen rheinland-pfälzischen Anbaugebieten für die Produktion von Qualitätswein zugelassen. So gibt es Roten Riesling mittlerweile auch vom Mittelrhein, aus Rheinhessen und der Pfalz. Die Nachfrage ist groß und Fachleute erwarten, dass die Anbaufläche in den nächsten Jahren ansteigt.

Steckbrief: Roter Riesling

  • Unterschiede zum normalen Riesling:
  • Widerstandsfähigkeit: Die Rebsorte ist robuster und braucht weniger Wasser
  • Beerenhaut: Rote Trauben mit dickerer, widerstandsfähigerer Haut
  • Ertrag: Ca. 15% geringerer Ertrag, aber höheres Mostgewicht
  • Säure: Etwas weniger Säure als der Weiße Riesling
  • Geschmack: Kräftiger und stoffiger, gut eingebundene Fruchtnoten
  • Klimaresilienz: Bessere Anpassung an wärmere, trockenere Bedingungen
  • Aromen: Vor allem Apfel und Birne, dazu Aprikose, Grapefruit, Mango, Minze
  • Ausbau: Bevorzugt feinherb, da trocken manchmal Bitternoten entwickelt

Geschmacksprofil und Charakteristik

Der Rote Riesling hat etwas weniger Säure als der Weiße, wobei die Fruchtnoten gut eingebunden werden. Im Vordergrund stehen vor allem Aromen von Apfel und Birne. Ferner können auch Aprikose, Grapefruit, Mango, Minze, Nektarine und Pfirsich anklingen.

Geschmacklich zeigt unser Roter Riesling trocken eine kräftige Struktur. Am Gaumen saftig wirkend erinnert er an süße Äpfel und eine Fülle von reifen Früchten und spielt mit fein eingebundener Säure.

Ausbau und Stilistik

Die meisten Winzer bauen den Roten Riesling bevorzugt feinherb aus. „Trocken ausgebaut entwickelt er manchmal störende Bitternoten“, erklären Experten. Allerdings zeigen einige Winzer wie Matthias Corvers, dass durch reduzierten Ertrag auch sehr harmonische trockene Varianten möglich sind.

Eine Rebsorte mit Zukunft

Der Rote Riesling verkörpert perfekt die Balance zwischen Tradition und Innovation. Er verbindet jahrhundertealte Weinbaugeschichte mit modernen Anforderungen an Klimaresilienz und Nachhaltigkeit. Für Weinliebhaber bietet er ein einzigartiges Geschmackserlebnis – intensiver und kräftiger als sein weißer Bruder, aber dennoch mit der charakteristischen Riesling-Eleganz.

Die wachsende Anzahl von Rheingauer Winzern, die sich dieser besonderen Rebsorte widmen, zeigt: Der Rote Riesling ist keine Kuriosität, sondern ein echtes Qualitätsprodukt mit großem Potenzial. Wer die Vielfalt des deutschen Weinbaus schätzt, sollte unbedingt einen Roten Riesling probieren – am besten natürlich aus dem Rheingau, der Wiege seiner Wiederentdeckung.

Speisenempfehlungen

Passend zu leicht scharfen Speisen, Asiatischem, aber auch zu kräftigen Aromen wie einem Chutney. Die kräftige Struktur macht ihn auch zu einem interessanten Begleiter für Geflügel, Schweinefleisch und würzige Käsesorten.

Der Rote Riesling zeigt eindrucksvoll, dass Innovation im Weinbau oft bedeutet, auf bewährte Traditionen zurückzugreifen und vergessene Schätze neu zu entdecken.

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